Hinter jedem großen Mann steht nicht immer nur eine starke Frau, sondern manchmal auch ein ehrgeiziger, unermüdlicher Vater, der der Nachwelt vielleicht nicht im besten Licht erscheint. Dann muss gelegentlich eine Neubewertung erfolgen, durch die lieb gewordene Klischees zumindest auf den Prüfstand gestellt werden.
So etwa bei dem vor 300 Jahren geborenen Leopold Mozart, dessen Missa Solemnis beim Adventskonzert der Chorgemeinschaft Alexander Friedrich in St. Michael erklang. Dass der Vater des Genies Wolfgang Amadeus mehr als ein engstirniger und musikalisch mäßig begabter Zuchtmeister war, zeigt ein Blick ins Programmheft mit biografischen Informationen.
Im Kirchenraum kann sich das Publikum selbst ein Bild machen. Das Eingangs-Kyrie zerfasert zu Beginn, bis Sänger und Orchester richtig zusammengefunden haben, dann wirkt es frisch, volltönend, fast ein wenig vorlaut. Sopranistin Andrea Zeilinger gestaltet das Laudamus mit einer klaren, geradlinigen Stimme, während Christine Mittermairs Alt in den häufig geforderten tieferen Lage heiser und kehlig wirkt, in höheren Lagen aber einen warmen Klang gewinnt.
Ihrem Charakter nach ist die Messe ein Werk der Frühklassik, das nach Ausgewogenheit strebt und Extreme vermeidet. Die Solopartien – neben Mittermair und Zeilinger sind es Thomas Fahner (Tenor) und Dieter Hölzl (Bass) – arbeiten mit vielen Koloraturen, im Orchester und Chor gibt es pastoral anmutende Stellen im Kontrast mit gedeckteren Passagen, etwa wenn es um die Inkarnation Christi geht, die gravitätisch wirkt und die Schwere der Materie hörbar werden lässt.
Nicht immer ist das frei von Effekthascherei, etwa wenn im Credo von der Auferstehung der Toten die Rede ist und dieses „mortuorum“ musikalisch unnötigerweise dramatisiert wird. Hörenswert ist die Missa dennoch, und Alexander Friedrich gelingt es, mit Chor, Orchester und Soli dem Werk gerecht zu werden.
Zugabe ist das bekannteste Stück Leopold Mozarts, „auch wenn es keiner mehr hören mag“, wie Friedrich launig prophezeit. Stimmt nicht. Derzeit ist das viel zu früh von Winter- und Weihnachtsliedern geplagte Ohr ja froh, wenn es eine „Schlittenfahrt“ hören darf, bei der es sich nicht um „Jingle Bells“ handelt.